Jusos Hessen

Aktiver Antirassismus jetzt! – von Hibba Kauser und Leon Schenke

Am Sonntagabend brach für Marcus Rashford eine kleine Welt zusammen. Gemeinsam mit seinem Team, der englischen Nationalmannschaft, hatte er sich Spiel um Spiel durchgekämpft, um nun in der 120 Minute des Finales der Fußballweltmeisterschaft eingewechselt zu werden. Nun stand also das Elfmeterschießen an. Italien und England mussten jeweils fünf Schützen auswählen, die gegen den gegnerischen Torwart verwandeln sollten. In einer solchen Drucksituation entstehen Fehler und so war es kein Skandal, dass Marcus seinen Schuss auf den Pfosten setzte und den Ball nicht verwandelte. Ebenso wie Jadon Sancho und Buyako Saka und so verlor England das Spiel.

 

Der wahre Skandal folgte in den nächsten Minuten. Anstatt nun zu analysieren woran es gelegen haben könnte, z.B sie sachlich für ihre Schusstechnik zu kritisieren, entstand direkt nach Abpfiff eine Welle rassistischer Kommentare auf den Instagram und Twitter-Profilen der drei Spieler. Unter widerlich schamloser Verwendung des N-Wortes wurde kurz darauf zu Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund aufgerufen. Die rassistischen Ausschreitungen in Großbritannien fanden ihren Höhepunkt in zahlreichen Hass-Verbrechen an schwarzen Briten noch in der gleichen Nacht.

 

In Deutschland werden diese Vorkommnisse vielerorts verurteilt. Es wird energisch der Kopf geschüttelt und die Nase gerümpft, dass Rassismus in England so ein großes Problem sei. Fragen wir uns aber mal, was passiert wäre, wenn dort nicht England im Finale gespielt hätte, sondern Deutschland. Angenommen es wäre zur gleichen Situation gekommen, wie der am Sonntagabend. Könnten wir uns sicher sein, dass solche Ausschreitungen bei uns nicht stattgefunden hätten?

 

Allein hier in Hessen fallen einem bei einem kurzen Nachdenken mehrere Rechtsterroristische Anschläge ein, die das Ziel verfolgt hatten, migrantisch gelesene Personen zu ermorden. Der Terroranschlag in Hanau ist keine zwei Jahre her. Ebenso wie er Anschlag in Wächtersbach, bei dem der Eritreer Bilal M. beinahe sein Leben verloren hätte. Seit mehreren Jahren werden beinahe wöchentlich vom selbsternennten „NSU 2.0“ überwiegend migrantisch gelesene Frauen bedroht, die sich politisch links engagieren. In dessen Nachrichten finden sich zutiefst rassistische Inhalte. Getan wird dagegen wenig bis nichts. Zwar werden regelmäßig neue Tatverdächtige festgenommen, gleichzeitig reißt die Serie jedoch nicht ab. Verbindungen in Polizeireviere in Frankfurt und Wiesbaden sind immer noch nicht geklärt. Besonders brisant ist, dass im Zusammenhang mit rassistischen Chatgruppen in der Frankfurter Polizei und dem Frankfurter SEK. Ebenso bestehen weiter Vorwürfe des Racial Profilings.

 

Zusammengefasst können wir unsere anfängliche Frage also mit einem Nein beantworten. Wir können uns nicht sicher sein, dass sich ähnliche Szenen nicht auch bei uns abspielt hätten, wie in England diese Woche. Im Gegenteil: Rassistische Gedanken sind in unserer Gesellschaft weiterhin stark verbreitet. Kaum ein Tag vergeht für migrantisch gelesene Menschen, an dem sie keiner rassistischen Äußerung ausgesetzt werden. Rassistische Strukturen sind tief bis in unseren staatlichen Sicherheitsstrukturen weiter verbreitet.

 

Entsprechend zynisch erscheinen einem vor diesem Hintergrund die hastigen Distanzierungen zu den Ausschreitungen in der deutschen Politik und der UEFA. Natürlich müssen wir immer wieder „Nein zu Rassismus“ betonen, aber es darf nicht bei den schönen Worten bleiben. Was es stattdessen braucht sind konkrete Maßnahmen, die Rassismus aus den Behörden unseres Staates für immer verbannen. Es braucht Kontrollmechanismen, die rassistisch motiviertes Fehlverhalten direkt adressiert und sanktioniert. Hierfür braucht es endlich eine*n hessische*n Polizeibeauftragte*n, der*die sich unabhängig von den eigentlichen Strukturen solchen Fällen annimmt und sie restlos aufklärt.

 

Rassistische Vorfälle in der Gesellschaft müssen ebenso mit aller Härte verfolgt werden. Rassistische Beleidigungen oder sogar tätliche Angriffe sind keine Bagatellen, sondern Straftaten. Wir brauchen eine Polizei, die für solche Fälle geschult und sensibilisiert ist. Jeder muss sich vor rassistischen Sprüchen oder schlimmeren klar sein, dass Konsequenzen auf sie zu kommen. Strafrechtlich hat die Bundesregierung vorgelegt. Nun muss die Landesregierung umsetzen.

 

Zudem braucht es in jeder Stadt professionell besetzte Antidiskriminierungsstellen, die Betroffenen beratend mit Rat und Tat zur Seite stehen können.

 

Am wichtigsten wird jedoch sein, unseren Sicherheitsapparat gegen rechtsextreme Terroranschläge zu sensibilisieren. Dass Menschen, wie der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke trotz rechtsextremer Vergangenheit problemlos legal an Waffen kam, ist ein Versagen unerkannten Ausmaßes. So etwas darf nicht mehr geschehen. Bekannte Rechtsextremist*innen dürfen keine unbeobachtete Minute haben. Der Verfassungsschutz und seine Strukturen sind für diese Aufgabe nicht geeignet. Das Landesamt muss aufgelöst und durch einen funktionierenden Inlandsgeheimdienst ersetzt werden. So schafft man Sicherheit, für alle Hessinnen und Hessen.

 

Rassismus ist kein englisches Problem. Es ist auch in unserer Gesellschaft weiter tief verankert. Wenn wir das ändern wollen, braucht es grundlegende Reformen in den Strukturen unseres Staates.

Junge Sozialisten in der SPD