#HessenHinten im Coronamanagement – Von Leon Schenke
Kein anderes Thema hat das Jahr 2020 so sehr geprägt wie die Corona-Pandemie. Das erste Mal seit der Spanischen Grippe, sah sich die Welt einer solchen Bedrohung durch ein Virus ausgesetzt. Aufgrund des in Deutschland vorherrschenden Föderalismus, kam den Bundesländern hierbei eine besondere Rolle zu. Während viele europäische Nachbarn als Zentralstaaten problemlos einheitliche Regelungen durchsetzen konnten, war Deutschland in vielen Bereichen ein Flickenteppich aus verschiedenen Regelungen. Das hatte zur Folge, dass vielerorts Föderalismuskritik tatsächlich wieder ein politisches Thema war. Natürlich aber nicht ohne Grund: Viele Landesregierungen haben sich während der Corona-Pandemie nicht mit Ruhm bekleckert. Insbesondere das völlige Fehlverhalten der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, etwa in Bezug auf die Fleischindustrie, unter Führung des heutigen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, bleibt dabei im Kopf.
In Hessen ging es dabei vergleichsweise ruhig zu. Schwarzgrün zeichnet sich auch im zweiten Jahr seit der Landtagswahl durch wenig Politik und viele Hochglanzbroschüren aus. So wurde etwa groß angekündigt die Landesregierung wolle Student*innen in der Krise unterstützen. Raus kam eine einmalige Bonuszahlung über 200 Euro. Die Hilfen waren zwei Stunden nach der Veröffentlichung des Formulars restlos weg. Solche Marketingmaßnahmen sind auf den ersten Blick vielleicht ganz schön, aber sie bleiben am Ende nur PR-Gags. Eine echte Unterstützung sieht anders aus und während Außenstehende sich vielleicht noch über die schöne Geste freuen, so ist sie für die Betroffenen nichts als blanker Spott. Bei Wohnungspreisen, die Jahr für Jahr explodieren, und immer steigenden Lebenshaltungskosten sind 200 Euro ein Schlag ins Gesicht für jeden Studierenden, der seinen Nebenjob in der Krise verloren hat.
Ähnlich ging es vielen Eltern mit jungen Kindern in Hessen. Nachdem die Kindergärten geschlossen wurden, wurden in Hessen die Kita-Beiträge nicht eingefroren. Stattdessen wurden die Eltern verpflichtet weiterhin Monat für Monat die Kita zu bezahlen, in die sie ihr Kind dann nicht schicken konnten. Junge Familien wurden so noch zusätzlich belastet. Nach viel öffentlichem Druck kam Schwarzgrün schließlich diesen Januar – fast ein Jahr nach Beginn der Krise – zum Schluss die Eltern sollten für die Monate der Schließung doch eine Erstattung bekommen. Über die Hälfte der Beiträge. Diese Dreistigkeit lässt einen nur noch mehr mit den Augen rollen, wenn man bedenkt, dass es in den meisten (SPD-geführten) Bundesländern eben diese Kita-Beiträge schlichtweg nicht gibt.
In Hessen wurde im Übrigen zunächst lange Zeit den Kommunen freigestellt, ob sie denn die Kita-Gebühren erheben wollten oder nicht. Einmal wieder, tritt an der Stelle eine alte Hauskrankheit der Landesregierung zu Tage: Ihre Angewohnheit alle kritischen Fragen auf die Kommunen abzuschieben. Ein älteres Beispiel sind hierfür etwa die Straßenausbaubeiträge, welche Schwarzgrün „abschaffte“, indem sie kurzerhand den Kommunen die Entscheidung gab, ob sie denn die Gebühren erheben wollen oder nicht. Grundsätzlich ist es natürlich kein schlechter Gedanke die Kreise und Städte in eigenen Angelegenheiten so weit wie möglich entscheiden zu lassen. Voraussetzung ist dafür aber nun mal, dass die übertragenen Aufgaben vom Land mitfinanziert werden – und da wird’s auf einmal ganz still von Seiten der Landesregierung. Im Gegenteil: Während immer mehr Kommunen am Existenzminimum kratzen, kämpft die CDU auf Bundesebene mit ihrem Stellv. Bundesvorsitzenden Volker Bouffier erbittert gegen den von Olaf Scholz vorgeschlagenen Schuldenschnitt für die Kommunen. Anstatt die Kommunen gerade in Zeiten der Krise mit den nötigen Mittel auszustatten, um die Daseinsvorsorge weiter angemessen betreiben zu können, bleibt etwa das „Starke Heimat Hessen“-Gesetz weiter in Kraft. Anders als beinahe alle anderen Bundesländer, zieht Schwarzgrün schließlich auch weiterhin erhöhte Anteile der so wichtigen Gewerbesteuer ein und nennt dass dann „starke Heimat Hessen“. Die Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens wurde im Übrigen selbst von der Landesregierung angezweifelt.
Nun wird oft die Frage gestellt, warum denn die Oppositionsparteien nichts gegen solches Verhalten sagen. Ich kann Ihnen versichern – Sie sagen dazu etwas. Schwarzgrün hört aber nicht zu. So wurde aus einer Zweidrittelmehrheit, welche eigentlich zum Aussetzen der Schuldenbremse erforderlich war, kurzerhand eine einfache Mehrheit. Die Mehrheit aus CDU und Grünen änderte kurzerhand das Gesetz, welches erhöhte Anforderungen an neue Schulden stellte. Ein solches, höchstwahrscheinlich verfassungswidriges Vorgehen war für Schwarzgrün scheinbar angebrachter, als mit der SPD und der FDP einen Konsens über einen neuen Haushalt zu suchen. Noch Fragen?
So konnte kurzerhand eine anstrengende Diskussion, wer in der Krise nicht vergessen werden durfte, umgangen werden. Und davon gab es in Hessen genug. Soloselbstständige konnten zum Bespiel (im Unterschied zu etwa Hamburg) monatelang vergeblich auf Hilfszahlungen hoffen. Auch ein Hilfsprogramm für mittelständische Unternehmen wurde abgelehnt.
Derweil baut die Industrie in unserem Bundesland mehr und mehr ab. 4000 Stellen bei Continental oder auch mehr als 200 Arbeitsplätze bei Coca-Cola in Liederbach. Auf die Frage, ob Tarek Al-Wazir denn anlässlich dieser Stellenstreichungen das Gespräch mit den Betroffenen und Gewerkschaftler*innen suche, antwortete der Wirtschaftsminister salopp, er habe nicht die Zeit, um sich zwei bis drei Mal die Woche vor ein Werktor zu stellen. Eine angemessene Reaktion auf die sozialen Härten, welche die Menschen derzeit treffen, sieht anders aus.
Das Krisenmanagement der Landesregierung bedroht den Lernerfolg von Schüler*innen und Student*innen. Die oft unklare Kommunikation, gepaart mit politischen Machtspielen anstelle von Lösungen, verbreitet einen Abkehr des Vertrauens in die Politik. Die hessische Wirtschaft muss sich derweil auf den Bund verlassen. Von der Landesregierung kann sie nicht viel erwarten. Hessen ist hinten im Corona-Krisenmanagement – mit dramatischen Folgen.